Mitr

Die felsige Landzunge schützte sowohl die Bucht als auch den breiten leeren Strand vor dem Wind.

Spiegelglatt war das Wasser. Ein sanfter Wolkenschleier überzog den Himmel mit einem Hauch von Gräue, und es wehte kein Wind, nicht einmal eine leichte Brise. Die Bucht glänzte in einem matten Schimmer, so wie altes Zinn.

Dünen folgten auf den Strand, und sie grenzten an einen nahen Wald aus dunklen schwarzgrünen Zypressen. Die Pflanzen behaupteten sich dem Sand gegenüber, durchzogen ihn beharrlich mit dünnen Wurzeln.

Zwischen den Dünen erhoben sich Ruinen – gläserne Wände, von Sand und salzigem Wind getrübt. Und inmitten dieser kristallenen Mauern hatte ein menschliches Wesen Gras und weiches Malvenkraut für ein Lager zusammengetragen.

Es war eine Frau, und sie hieß Mitr. Zumindest wurde sie von den Käfern so genannt. Und aus irgendeinem Grund hatte sie den Namen angenommen.

Jener Name, die Unterlage aus Gras und ein braunes Tuch, von den Käfern gestohlen – mehr besaß sie nicht. Möglicherweise konnte man auch noch etwas anderes zu ihrer Habe zählen, nämlich den vermodernden Knochenhaufen, der rund hundert Meter entfernt im Wald lag. Die Gebeine interessierten sie sehr, und undeutlich erinnerte sie sich an einen Zusammenhang zwischen ihnen und ihr selbst. Während der alten Tage, als ihre Arme und Beine noch kurz und rund gewesen waren, hatte sie die von der Form her geradezugrotesk anmutende Ähnlichkeit kaum bemerkt. Inzwischen aber war sie größer geworden, und an den Gemeinsamkeiten konnte kein Zweifel mehr bestehen. Augenhöhlen dort, wo sich ihre Pupillen befanden, ein Mund an genau der richtigen Stelle, Zähne, Kiefer, Kopf, Schultern, Rippen, Beine, Füße. Dann und wann begab sie sich in den Wald, trat an die Knochen heran und betrachtete sie nachdenklich. In letzter Zeit allerdings machte sie sich nicht mehr regelmäßig auf den Weg.

Es war ein langweiliger Tag, grau in grau. Mitr fühlte eine gewisse Apathie und ein vages Unbehagen, und sie kam zu dem Schluß, daß sie Hunger hatte. Sie wanderte zwischen den Dünen umher, aß einige Grasknollen, fand aber keinen rechten Gefallen daran. Vielleicht war ihr Appetit nicht ganz so groß, wie sie eben noch angenommen hatte.

Daraufhin schlenderte sie über den Strand, blieb am Wasser stehen und blickte über die Bucht. Nach einer Weile kam leichter Wind auf, und die feuchte Brise zupfte an dem braunen Tuch und zerzauste ihr Haar. Vielleicht würde es bald zu regnen beginnen. Sie legte den Kopf in den Nacken und sah besorgt zum Himmel empor. Sie konnte Regen nicht ausstehen: Er machte naß. Natürlich war es ihr jederzeit möglich, unter den großen Felsen der Landzunge Schutz zu suchen, aber… Nun, manchmal zog sie es vor, naß zu werden.

Sie setzte sich wieder in Bewegung, ging weiter über den Strand, fing ein kleines Schaltier und verspeiste es. Das salzige Fleisch schmeckte nicht sonderlich gut. Vielleicht hatte sie wirklich keinen Hunger. Sie griff nach einem Stock und kratzte damit eine gerade Linie in den feuchten Sand – erst fünfzehn, dann dreißig Meter lang. Dann blieb sie stehen, sah zurück und betrachtete ihr Werk zufrieden. Und sie überlegte kurz und zog eine zweite Linie, die parallel zur ersten verlief und nur eine Handspanne von ihr entfernt war.

Sie fand das Ergebnis sehr interessant. Angetrieben von plötzlicher Begeisterung, machte sie sich daran, weitere Linien zu schaffen – bis auf dem Sand ein komplexes Muster aus gleichförmigen Strichen entstanden war.

Erneut betrachtete sie ihr Werk, und wieder empfand sie so etwas wie Genugtuung. Es weckte Faszination in ihr, solche Zeichen im glatten Sand entstehen zu lassen. Sie nahm sich vor, das irgendwann zu wiederholen und dabei möglicherweise Kurven zu benutzen oder dafür zu sorgen, daß sich die Linien kreuzten.

Doch für den Augenblick hatte sie genug und ließ den Stock fallen. Einmal mehr regte sich das Gefühl des Hungers in ihr, ein Empfinden, das gar kein Hunger war. Sie fing eine Sandschrecke, aß sie aber nicht, sondern warf sie wieder fort.

Nach einer Weile lief sie über den Strand, schneller und immer schneller. Das gefiel ihr: die Festigkeit ihrer Beine, die frische Luft in ihren Lungen. Keuchend verharrte sie und ließ sich auf den Sand sinken.

Kurz darauf beruhigte sich ihr Atem wieder, und sie setzte sich auf. Sie verspürte den Wunsch, erneut zu laufen, doch eine gewisse Mattigkeit war in ihr entstanden. Sie verzog das Gesicht und bewegte sich unruhig. Vielleicht sollte sie die Käfer auf der Landzunge besuchen; möglicherweise würde das alte graue Wesen namens Ti-Sri-Ti mit ihr sprechen.

Langsam erhob sie sich und setzte die Wanderung über den Strand fort. Schon nach wenigen Schritten fragte sie sich, ob sie ihre Absicht wirklich in die Tat umsetzen sollte. Eigentlich hatte Ti-Sri-Ti nichts Interessantes zu sagen. Er beantwortete keine Fragen, sondern brummte nur immer Informationen und Daten, die die Kolonie betrafen. Pausenlos sprach er davon, wie viele Larven schlüpfen durften und aus wie vielen Spinneneiern der gegenwärtige Vorrat bestand. Er schilderte den Zustand seiner Kiefer, Fühler und Augen…

Mitr zögerte, doch nach einigen Sekunden ging sie weiter. TiSri-Ti war immer noch besser als niemand, und sie zog den Klang irgendeiner Stimme dem monotonen Rauschen der grauen Brandung vor. Und vielleicht sagte er diesmal doch Dinge, die ihr Interesse weckten. Gelegentlich beschränkten sich seine Vorträge nicht nur auf das Unmittelbare, und wenn das geschah, hörte Mitr ihm fasziniert zu. »Die Berge werden von wilden Eidechsen beherrscht, und jenseits davon erstreckt sich die Domäne der Mercaloid Mechanvikis, die in unterirdischen Höhlen leben. Nur die rauchenden Kamine und Schlackenhaufen weisen auf ihre unermüdliche Arbeit hin. Die Käfer hingegen beanspruchen die Küste, und von den Zweibeinern gibt es nur noch ein Exemplar in der alten Gläsernen Stadt – die letzte der Mitr.«

Sie hatte Ti-Sri-Ti nicht ganz verstanden, denn die Unbeständigkeiten der Zeit, die Konzepte des Vorher und Nachher, bedeuteten ihr nichts. Für sie war das Universum statisch. Ein Tag folgte auf den anderen, und sie bildeten keine fortlaufende Reihe, sondern stellten vielmehr Wiederholungen dar.

Und Ti-Sri-Ti brummte weiter: »An die Berge schließt sich eine endlose Wüste an, danach kommt endloses Eis, und darauf folgt das Land des ewigen Feuers. Daran schließen sich das große Wasser und wieder das Land des Lebens an, die Region der Käfer, in der während jeder Sonnenwende ein weiterer Morgen aus modrigem Laub gekaut und ausgelegt wird…« Und dann ließ sich Ti-Sri-Ti eine Stunde lang über die Pilzkulturen der Käfer aus.

Mitr schritt über den Strand. Sie kam an dem prächtigen Muster vorbei, das sie in den damastfarbenen Sand gekratzt hatte, passierte auch die gläsernen Mauern. Es dauerte nicht lange, und sie kletterte über die ersten schwarzen Felsen. Dort blieb sie stehen und lauschte. Ein Geräusch?

Sie verharrte, und nach einiger Zeit setzte sie den Weg fort. Sie hörte, wie Dutzende von Beinen über den Fels kratzten. Ein langer braunschwarzer Käfer sprang auf sie zu und preßte sie an die Klippen. Sie versuchte sich zur Wehr zu setzen, doch die vorderen Klauen des Wesens hielten ihre Schultern fest und zwangen sie dazu, den Rücken zu beugen. Der Käfer zielte mit seinem Rüssel auf den Nacken Mitrs und durchstach die Haut. Sie rührte sich nicht von der Stelle und starrte in seine roten Augen, während er saugte und trank.

Nach einer Weile hatte der Käfer genug und gab Mitr frei. Die Wunde schloß sich von allein, bereitete ihr aber heftige Schmerzen. Das vielbeinige Wesen kletterte über die Felsen davon.

Eine Stunde lang blieb Mitr sitzen und kam langsam wieder zu Kräften. Die Vorstellung, Ti-Sri-Ti zuzuhören, übte nun nicht mehr den geringsten Reiz auf sie aus.

Gleichgültig wanderte sie über den Strand zurück und verspeiste einige Algenfladen und einen kleinen Fisch, der in einem Gezeitentümpel zurückgeblieben war.

Sie trat an die Wassergrenze heran, blickte über die Landzunge hinweg und beobachtete den Horizont. Sie fühlte sich versucht, laut zu schreien. Sie hatte diese Art von Verlangen schon einmal gespürt, kurz bevor sie über den Sand gestürmt war.

Sie legte den Kopf in den Nacken und rief. Ein seltsam melodischer Laut erklang, und die feuchte Brise schien ihn zu dämpfen. Enttäuscht drehte sie sich um.

Sie ging weiter, bis sie den kleinen Süßwasser-Bach erreichte. Dort stillte sie ihren Durst und aß einige Brombeeren. Die Büsche bildeten ein nahezu undurchdringliches Dickicht.

Plötzlich zuckte sie zusammen und hob den Kopf.

Sie vernahm ein Schrillen, das den ganzen Himmel auszufüllen und ein Teil der Luft zu sein schien.

Sie stand langsam auf, sah nach oben und suchte mit ihren Blicken die hohen Wolkenschleier ab. Ihre Beine zitterten, und sie war jederzeit dazu bereit, die Flucht zu ergreifen.

Ein langer schwarzer Himmelsfisch durchstieß die Wolken und schnaufte Flammen.

Entsetzt wich Mitr in Richtung der Brombeerbüsche zurück. Die Dornen kratzten ihr über die Haut, und der Schmerz brachte sie wieder ganz zu sich. Sie eilte in den Wald und duckte sich unter eine große Zypresse.

Der Himmelsfisch kam mit erstaunlicher Geschwindigkeit herab, flog den Strand an und setzte ganz sanft und mit einem letzten und rülpsend klingenden Seufzen auf.

Mitr beobachtete ihn mit einer Mischung aus Ehrfrucht und Faszination. Noch niemals zuvor hatte sie ein solches Wesen erblickt. Und sie nahm sich vor, nie wieder über den Strand zu wandern, ohne zuvor den Himmel betrachtet zu haben.

Der Himmelsfisch öffnete sich. Mitr sah das Schimmern von Glas und Metall. Drei Geschöpfe sprangen aus dem Innern der Riesen, und Mitr beugte sich verwundert vor. Die Wesen ähnelten ihr in gewisser Weise, waren jedoch größer und massiger. Außerdem hatten sie rote Haare. Sie jagten ihr Angst ein. Und sie machten einen ziemlichen Lärm, unterhielten sich mit heiseren und rauhen Stimmen.

Einer von ihnen sah die gläsernen Mauern, und eine Zeitlang untersuchten sie die Ruinen und offenbarten dabei großes Interesse.

Genau in diesem Augenblick kroch der braunschwarze Käfer, der zuvor Mitrs Blut getrunken hatte, über die Felsen der Landzunge und erreichte den Strand. Eines der drei Wesen aus dem Himmelsschiff rief ihm etwas zu, und der Käfer erschrak, zögerte und kehrte dann hastig in Richtung der geborstenen Steine zurück. Der Fremde, der ihn angesprochen hatte, nahm einen glänzenden Gegenstand zur Hand. Ein greller Blitz zuckte von dem Objekt davon, und der Käfer zerplatzte. Hunderte von brennenden Chitinsplittern wirbelten davon.

Die drei Geschöpfe lachten schallend, und Mitr wich noch tiefer in den Schatten unter der Zypresse zurück, machte sich so klein wie möglich.

Einer der Fremden bemerkte die Linien, die Mitr mit dem Stock in den Sand gekratzt hatte. Er gab seinen Begleitern Bescheid, und daraufhin richteten sie ihre Aufmerksamkeit auf das Muster, untersuchten auch die Fußspuren daneben und wirkten plötzlich sehr aufgeregt. Einer von ihnen gab einen knappen Kommentar von sich, und die anderen lachten brüllend. Dann wandten sie sich von den Linien ab und gingen über den Strand.

Sie suchen nach mir, dachte Mitr. Sie preßte sich so fest an den Stamm der Pflanze, daß ihr Rücken schmerzte.

Nach einer Weile aber ließ das Interesse der Fremden nach, und sie kehrten zum Himmelsfisch zurück. Einer von ihnen holte einen langen schwarzen Schlauch, trat damit an die Wassergrenze heran und warf ihn weit in die bleigrauen Fluten. Der Schlauch wurde dicker, schien sich zu versteifen und verursachte saugende Geräusche.

Der Himmelsfisch ist durstig, dachte Mitr. Und er trinkt nun mit seinem Rüssel.

Anschließend schritten die drei Fremden erneut über den Strand und näherten sich dem Bach. Besorgt beobachtete Mitr, wie sie näher kamen. Folgten sie ihren Spuren? Sie schauderte, und ihre Hände begannen zu schwitzen.

Am Ufer des Baches, nur einige wenige Meter entfernt, blieben sie stehen und tranken. Mitr konnte sie ganz deutlich sehen. Ihr Haar hatte die Farbe von Kupfer, und im Bereich des Mundes sah sie dünnen Flaum. Die Oberkörper schienen in rote und schimmernde Panzer gehüllt zu sein, und grauer Stoff bedeckte die Beine. Die Füße steckten in metallenen Vorrichtungen.

Ja, sie ähnelten ihr sehr – und waren doch völlig anders. Größer, schwerer – irgendwie beweglicher. Und auch grausam: Sie hatten den braun-schwarzen Käfer verbrannt. Mitr beobachtete sie fasziniert. Aus welchem Land kamen sie? Gab es in den Domänen jenseits des Himmels noch andere solche Geschöpfe?

Sie verlagerte ihr Gewicht, und ein Zweig knackte. Mitr erstarrte unwillkürlich; es lief ihr kalt über den Rücken. Hatten die Fremden sie gehört? Vorsichtig spähte sie am Stamm vorbei, bereit zur Flucht. Nein, die Wesen kehrten über den Strand zu ihrem riesigen Himmelsfisch zurück.

Mitr sprang auf, trat aus dem Schatten unter der Zypresse hervor, schob sich an das Brombeerdickicht heran und sah den sonderbaren Geschöpfen nach. Ganz offensichtlich scherten sie sich nicht darum, daß in der Nähe ein Wesen lebte, das ihnen ähnelte. Zorn regte sich in Mitr. Sie empfand den Wunsch, den Fremden zu sagen, was sie von ihnen hielt. Sie wollte sie dazu auffordern, unverzüglich ihren Strand zu verlassen.

Doch sie beherrschte sich. Es wäre töricht, sich ihnen zu zeigen. Vielleicht schleuderten sie eine Flammenlanze, die sie ebenso verbrennen mochte wie zuvor den Käfer. Eins stand fest: Es handelte sich um mitleidslose und grausame Wesen, um ausgesprochen seltsame Geschöpfe.

Mitr schlich durch den Wald, eilte von Stamm zu Stamm, ließ sich, wenn sie es für erforderlich hielt, auf Hände und Knie sinken. Auf diese Weise kam sie so nahe an den Himmelsfisch heran, wie es die Deckung erlaubte.

Die Fremden standen dicht vor dem riesigen Ungeheuer, und offenbar hatten sie nicht die Absicht, weitere Untersuchungen vorzunehmen.

Der im Wasser liegende Schlauch erschlaffte, und die Gestalten zogen ihn in den Himmelsfisch zurück. Bedeutete das, sie machten sich zum Aufbruch bereit?

Gut. Sie hatten kein Recht, sich auf ihrem Strand aufzuhalten. Mitr hielt es für eine Unverschämtheit, daß sie einfach so gelandet waren und einen ihrer Käfer getötet hatten. Erneut stieg das Verlangen in ihr empor, auf sie zuzutreten und sie auszuschimpfen. Dann aber erinnerte sie sich daran, wie grausam und erbarmungslos sie waren, und so versteckte sie sich weiterhin hinter den Büschen und Sträuchern. Es prickelte auf ihrer Haut.

Bleib ganz ruhig. Bald verschwinden sie, und dann hast du den Strand wieder ganz für dich allein.

Sie rutschte nervös hin und her.

Rothaarige Ungeheuer, die keine Gnade kannten.

Rühr dich nicht von der Stelle, denn sonst bemerken sie dich! Und dann? Mitr schauderte.

Die Fremden trafen Vorbereitungen dafür, mit ihrem Himmelsfisch fortzufliegen. Ein Kloß entstand in der Kehle Mitrs. Sie hatten ihre Spuren im Sand gesehen – und kümmerten sich nicht weiter darum. Bestimmt wäre es ihnen nicht schwergefallen, sie zu finden. Sie hätten sich nur aufmerksam umsehen müssen, um sie unter der Zypresse zu entdecken. Und jetzt war sie ihnen sogar noch näher.

Wenn sie nur einen Schritt weiter vortrat, mußten die Fremden sie sehen.

Es prickelte erneut auf ihrer Haut, als sie sich hinter dem Busch hervorwagte. Nur ein wenig, mehr nicht. Und unmittelbar darauf kroch sie rasch wieder zurück. Ihr Herz klopfte heftig.

Hatten die Fremden sie gesehen? Jähe Furcht keimte in ihr, erfüllte sie mit Kälte, und sie hoffte, daß sie nicht entdeckt worden war. Wie mochten sie reagieren?

Vorsichtig blickte sie an dem Strauch vorbei. Einer der Fremden wandte sich verwirrt von den beiden anderen ab, so als habe er irgend etwas bemerkt. Selbst jetzt sah er sie nicht. Und er starrte ihr direkt in die Augen.

Mitr hörte, wie er einen überraschten Schrei von sich gab, und dann floh sie auch schon durch den Wald. Der Fremde folgte ihr, und seine beiden Gefährten schlossen sich ihm an und stürmten durch das Unterholz.

Aus mehreren Wunden blutend und benommen blieb Mitr inmitten einiger Farne liegen, und die drei Geschöpfe aus dem Himmelsfisch kehrten in Richtung des Strandes zurück, lachten laut und unterhielten sich mit ihren heiseren und rauhen Stimmen.

Eine Zeitlang rührte sie sich nicht.

Die Stimmen verklangen allmählich. Mitr stand auf, taumelte und wankte den Fremden nach.

Ein grelles Leuchten erhellte den Himmel.

Durch die Baumwipfel beobachtete Mitr, wie der Himmelsfisch aufstieg, immer höher empor – bis er schließlich jenseits der grauen Wolken verschwand.

Stille schloß sich an, und Mitr hörte nur noch das ewige Rauschen des Meeres.

Sie trat an die Wassergrenze heran und stellte fest, daß die Flut kam. Die Sonne ging unter, und der Himmel trübte sich.

Eine ganze Zeitlang starrte sie zum Firmament hoch und lauschte.

Nichts. Alles blieb ruhig. Der feuchte Wind blies ihr ins Gesicht und zerzauste ihr Haar.

Mitr seufzte und wandte sich den Ruinen zu, den gläsernen Mauern. Tränen rollten ihr über die Wangen.

Die Flut spülte über die parallelen Linien, die sie in den Sand gekratzt hatte. Schon nach kurzer Zeit waren sie verschwunden.

Originaltitel: »The Mitr« Copyright © 1953 by Specific Fiction Corporation (in »Vortex Science Fiction«, 1953) Deutsche Übersetzung von Andreas Brandhorst